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18.04.2024

Deutschlands Klimaziele liegen trotz Rekordausbau erneuerbarer Energien noch weit entfernt

In Deutschland hat der Ausbau von Windkraftanlagen auf dem Land einen neuen Rekord erreicht und die Regierung beschleunigt EU-Gesetze, die die Genehmigungen für neue Projekte erhöhen. Laut Klaus Heckenberger, dem Geschäftsführer von Eurowind Energy in Deutschland, schreitet die Energiewende jedoch weiterhin zu langsam voran, um das Ziel zu erreichen, bis 2035 zu 100 Prozent grünen Strom zu erzeugen und bis 2045 klimaneutral zu sein.

Mit der historischen „Zeitenwende“, die durch die Abkehr des Gasimports aus Russland herbeigeführt wurde, beschleunigte sich die Energiewende. Im letzten Jahr hat Deutschland doppelt so viel Wind an Land installiert, wie in den Jahren von 2018 bis 2022. Zudem kündigte die Bundesnetzagentur eine erhöhte Ausschreibung von 15 GW für erneuerbare Energien an - fast 50 Prozent höher als die ursprüngliche Ausschreibung für 2024.

Giles Dickson, CEO der europäischen Windorganisation WindEurope, sagte in einer Pressemitteilung: "Deutschland zeigt, was möglich ist, wenn man es ernst meint mit dem Ausbau von Windkraft. Deutschland ist führend bei der Umsetzung der neuen EU-Zulassungsverfahren, und mehr Projekte werden genehmigt als zuvor - insbesondere im Bereich der Windenergie auf dem Land. Das ist gut für die Energiesicherheit und die Industrie, die günstigen Strom braucht."

Die 15 GW für erneuerbare Energien, die jetzt ausgeschrieben werden, entsprechen laut WindEurope einer größeren Landwindkapazität, als alle anderen 27 EU-Länder zusammen im Jahr 2023 installiert haben und sind etwa eine Vervierfachung der 3,6 GW, die Deutschland selbst im selben Jahr installiert hat. Trotz der grünen Führungsposition ist der Weg, um die Klimaziele Deutschlands zu erreichen, noch weit.

Klaus Heckenberger, Geschäftsführer von Eurowind Energy in Deutschland, erklärt: "Es gibt die Auffassung, dass es in Deutschland schnell vorangeht, und unsere Regierung verdient Lob dafür, dass sie Gesetze beschleunigt hat, die den Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem Land vorantreiben. Im Jahr 2023 stieg die Anzahl der Genehmigungen um 75 Prozent, aber diese Zahl muss auch im Vergleich zu einem extrem niedrigen Niveau in früheren Jahren betrachtet werden. Es reicht leider immer noch nicht aus, um die Klimaziele Deutschlands zu erreichen."

Deutschland war eines der Länder, das die Verordnung zu einem beschleunigtem Ausbau erneuerbarer Energien schnell in eigenem Recht umgesetzt hat. Damit können erneuerbare Energieanlagen als übergeordnetes, öffentliches Interesse priorisiert werden, womit die Belange des Natur- und Umweltschutzes außer Kraft gesetzt werden. Klaus Heckenberger räumt ein, dass dieses Prinzip Projekte freigibt, die sonst in rechtlichen Verfahren stecken bleiben würden. Obwohl die Verordnung eine Frist von sechs Monaten vorsieht, löst sie jedoch allein nicht die Probleme mit langwierigen Genehmigungsverfahren.

Dazu kommentiert Klaus Heckenberger: "Die Verordnung gibt etwas Spielraum, weil sie in definierten Bereichen gegen Bezahlung die Möglichkeit bietet, auf eine neue Umweltuntersuchung zu verzichten, die 12 bis 14 Monate dauern würde. Wir haben jedoch immer noch viele der gleichen Herausforderungen mit den Behörden wie zuvor, weil das Gesetz unterschiedlich interpretiert wird. Drei Jahre bis zur Genehmigung neuer Projekte sind immer noch üblich."

 

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Klaus Heckenberger bezeichnet Deutschland als einen "Supertanker" mit einem gigantischen Energiebedarf, dessen komplexe Verwaltungsstruktur dazu führt, dass die Bürokratie zu einer größeren Herausforderung wird, als zum Beispiel in Dänemark.

"In Deutschland gibt es zum Beispiel viele Möglichkeiten, Rechtsstreitigkeiten anzufechten, und wir müssen natürlich demokratische Rechte wahren, aber sie werden auch genutzt, um die Energiewende zu bremsen. Es würde helfen, wenn die Gesetzgebung auf Bundesebene klarer definieren würde, wann neue Projekte andere Interessen übertreffen können und Rechtsprechung verstärkt als Präzedenzfälle für die zukünftige Entwicklung genutzt würde.“

Neben den langen Wartezeiten warnt Klaus Heckenberger vor zwei weiteren bekannten Barrieren, die den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland bremsen können. "Änderungen im politischen Umfeld können den Ausbau potenziell relativ schnell wieder stoppen. Außerdem sind wir derzeit viel zu abhängig von der globalen Lieferkette und insbesondere von China, da die eigene Produktion in Europa nicht gesichert ist. Lange Wartezeiten für Umspannwerke und andere Komponenten sind ein riesiges Problem, sowohl für die Installateure als auch für die Unternehmen in der Branche."

Laut WindEurope stammten 56 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms im Jahr 2023 aus erneuerbaren Energien. 31 Prozent stammten aus Windenergie, 12 Prozent aus Solarenergie, 6 Prozent aus Biomasse und 1,5 Prozent aus Atomkraft, aus der Deutschland seitdem ausgestiegen ist. Im April 2024 zeigten neue Daten, dass Windenergie Kohle als größte Stromquelle überholt hat.

Den Atomausstieg kommentiert Klaus Heckenberger so: "Es war eine sehr deutsche Entscheidung, unsere Atomkraftwerke abzuschalten. Ich verstehe, warum es für Außenstehende schwer nachvollziehbar sein kann, aber die meisten Deutschen wollen die Atomenergie nicht zurück.“ Umso wichtiger sei daher, den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter zu beschleunigen.

Quelle: Green Power Denmark. Link zum Originalartikel.

Klaus Heckenberger (3)

Faktenbox

Deutschlands Klimaziele fordern 100% grünen Strom im Jahr 2035 und das Erreichen von Klimaneutralität im Jahr 2045. Das Erzeugen von 100 Prozent grünem Strom bis 2035 erfordert, dass die erneuerbare Stromproduktion in Deutschland auf 845 TWh steigt. Das bedeutet, dass die jährliche Solarenergieproduktion von 5 GW im Jahr 2021 auf durchschnittlich 21 GW zwischen 2026 und 2035 vervierfacht werden muss, während die jährliche Landwindproduktion in derselben Zeit auf 10 GW erhöht werden muss. Windkraftanlagen auf dem Land werden mit 40% den größten Beitrag zur erneuerbaren Stromproduktion leisten, während Solarenergie ein Drittel und Offshore-Windkraft ein Viertel ausmachen.

Quelle: Agora Energiewende